Abschlussveranstaltung: SportGeschichten-Workshops in der JSA Berlin

Gemeinsam mit der Jugendstrafanstalt Berlin konnte iuvenes e. V. gestern, am Mittwoch, 14.08., den Teilnehmern an den zwei Workshops im feierlichen Rahmen die beiden Broschüren überreichen, die wir gemeinsam mit den Jugendlichen und für sie zu den Workshop-Themen produziert haben.

In den zwei Workshops (Oktober 2018 – Januar 2019 & März – Juni 2019) sprachen und diskutierten wir mit insgesamt 21 jugendlichen Insassen der JSA Berlin. Manche von ihnen verließen die Kurse vorzeitig, weil sie entlassen wurden oder aus anstaltsinternen Gründen nicht weiter teilnehmen konnten. Fünf der Jugendlichen kamen aus autochthonen Familien, das Gros waren echte Berliner Jungens, zwei waren als Flüchtlinge nach 2015 nach Berlin gekommen. Alle Jugendlichen sind vor ihrer Inhaftierung sportlich aktiv gewesen – in unterschiedlichen Intensitäten. Sie haben Fußball und Basketball gespielt, geboxt, geschwommen, Fitness und Parcours betrieben oder waren aktive Kampfsportler. Viele waren in Vereinen aktiv, andere gingen außerhalb des organisierten Sports ihren sportlichen Aktivitäten nach. Das Leistungsniveau war erstaunlich hoch. Ein Jugend-Europameister, ein deutscher Jugendmeister,* ein professioneller Tänzer und ein Fußballer an der Schwelle zum Semi-Profi-Fußball.

Das Interesse am Sport und an sportlichen Themen, das uns entgegen schlug, war außerordentlich groß. In 14 Einzelsitzungen je Durchgang hat das SportGeschichten-Team mit den Jugendlichen über 12 sportliche und sporthistorische Themen gesprochen, zum Einsatz kamen unterschiedliche Medien und Methoden. Biographische Zugänge erlauben die Empathieübernahme. So konnten wir im offenen Gespräch über Themen der politisch-historischen Bildung diskutieren, zu denen die Jugendlichen andernfalls nur schwer Zugang finden.

Bert Trautmann beispielsweise kam als Kriegsgefangener, als Feind nach Großbritannien. Im Kriegsgefangenenlager wurde durch einen Zufall sein Talent als Torwart entdeckt. Trautmann machte eine außerordentliche Karriere bei Manchester City, obwohl ihm anfänglich offene Feindseligkeit von vielen Fans entgegenschlug. Zur Ikone des britischen Fußballs wurde er im Finale des FA Cups am 5. Mai 1956, als er nach einem Zusammenprall mit einem Gegenspieler die letzten 15 Minuten des Spiels bestritt – mit gebrochenem Genick, wie sich später herausstellte. Die Jugendlichen waren fasziniert von seiner Geschichte, sie diskutierten über den Zweiten Weltkrieg und warum viele Briten nach The Blitz gerade einem ehemaligen Luftwaffen-Soldaten zunächst sehr skeptisch gegenüberstanden. Sie sprachen über Schuld und Vergebung.

Oder etwa die Geschichte von Walter Frankenstein, dem „ältesten Fan von Hertha BSC“, die den Jugendlichen von der Vereinshistorikern Juliane Röleke und Fanbetreuer Stefano Bazzano vorgestellt wurde. Fünf Wochen nach der Geburt ihres ersten Sohns hatte sich die kleine jüdische Familie 1943 dem Zugriff der nationalsozialistischen Verfolgung entzogen. Anhand eines alten Stadtplans zeichneten Juliane Röleke und Stefano Bazzano die Stationen eines Überlebens im Berliner Untergrund nach.

Auf solchen Wegen kann es gelingen, Gesellschaft, Politik und Geschichte, allesamt für die meisten jugendlichen Teilnehmer abstrakt, weit weg und lange her, an den Erfahrungen, Interessen und Gefühlswelten der Jugendlichen eng zu führen. Das offene Gespräch greift ihre Fragen auf und nimmt ihre Deutungen ernst, ohne den Jugendlichen das Gefühl zu geben, sie würden ex cathedra belehrt. Wir haben in den beiden Workshop-Durchgängen sehr aufgeweckte und interessierte junge Männer kennengelernt. Bei unseren Teilnehmern möchten wir uns zuerst und zuvörderst bedanken!

Sehr zum Erfolg trugen auch unsere externen Expert*innen bei, die wir zu Einzelthemen eingeladen haben. Für die spannenden Gespräche möchten wir ganz herzlich danken:

  • dem Journalisten Martin Krauß
  • der Vereinshistorikerin und Archivarin von Hertha BSC, Juliane Röleke, und dem Fanbetreuer von Hertha BSC, Stefano Bazzano
  • dem Tennislehrer Uwe Feldhaus (Health & Racket Club)
  • dem Fußballer Michael Fuß
  • dem Fußballfan und Anti-Gewalt-Trainer Philip Schlaffer.

Bedanken möchten wir uns bei der Bundeszentrale für politische Bildung, ohne deren Förderung die SportGeschichten nicht möglich gewesen wären.

Ein herzliches Dankeschön für die tolle Zusammenarbeit geht in die Schulabteilung der Jugendstrafanstalt Berlin.

Alle haben dafür Sorge getragen, dass aus dem Projekt „SportGeschichten – niedrigschwellige politische Bildung in der Jugendstrafanstalt Berlin“ eine so aufregende wie großartige Erfahrung wurde! Last not least wollen wir unseren Teammitgliedern danken, Hartwig Taege (become) und Can Topuz (JSA Berlin), mit denen die Arbeit so viel Spaß gemacht hat.

Unseren Jugendlichen wünschen wir das Beste für ihre Zukunft. Ihr seid tolle Jungs!